Bugatti Baby II im Fahrbericht: Im Rausch mit 68 km/h (2024)

Mit mehr als tausend Siegen während seiner Zeit im Motorsport ist der Bugatti Typ 35 wohl der erfolgreichste Rennwagen der Geschichte. Der Typ 35 wurde 1924 mit einer überarbeiteten Version des 2,0-Liter-Achtzylinder-Reihenmotors vorgestellt, der den Typ 29 antrieb.

Der Typ 35 war ein Meisterwerk, das bald eine beeindruckende Präsenz im Langstreckenrennsport entwickelte, 1925 die Targa Florio gewann und in der folgenden Saison die Grand-Prix-Meisterschaft mit nach Hause nahm.

Verständlicherweise waren der Firmengründer Ettore Bugatti und sein Sohn Jean Bugatti stolz auf diese Schöpfung und beschlossen, für Ettores jüngsten Sohn Roland zu dessen viertem Geburtstag einen verkleinerten Typ 35 zu bauen. Obwohl ursprünglich als einmalige Kreation gedacht, war das Feedback der Kunden, die den Hauptsitz des Automobilherstellers in Molsheim, Frankreich, besuchten, so positiv, dass der Bugatti "Baby" schließlich in Produktion ging.

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Die Produktionsversion des Baby (auch als Typ 52 bekannt) war größer und etwas verfeinerter als jenes Auto, das Bugatti für Roland schuf. Etwa halb so groß wie der Typ 35, verwendete das Baby einen einzigen 12-Volt-Elektromotor und verfügte über mechanische Bremsen sowie eine halbelliptische Federaufhängung. Zwischen 1927 und 1936 baute Bugatti 500 Exemplare des ursprünglichen Baby.

(Anmerkung der deutschen Redaktion: Erwin Tragatsch schreibt in seinem Bugatti-Standardwerk dazu: "Phantastisch waren in den zwanziger Jahren auch die von Ettore Bugatti konstruierten Kinderautomobile mit Batterieantrieb.")

Im Laufe der Jahre ist das Original-Baby zu einer begehrten Ware für wohlhabende Bugatti-Enthusiasten geworden, aber da es heute noch etwa 150 Exemplare gibt, können nur wenige Auserwählte eines in die Hände bekommen. Zur Feier des 110. Geburtstags des Unternehmens beschloss Bugatti, weitere 500 Exemplare mit modernisierter Technik in Produktion zu geben.

Das neue Auto mit dem Namen Baby II verkörpert den Look und das Gefühl des ursprünglichen Typ 52, jedoch in einer größeren und schnelleren Verpackung. Wie viel schneller, fragen Sie? Schnell genug, um ihn kurzzeitig auf zwei Rädern zu bewegen, während man über den "Streets of Willow"-Straßenkurs in Rosamond, Kalifornien, braust.

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Das Baby wird neugeboren

Das Format des 2,80 Meter langen Baby II entspricht 75 Prozent des richtigen Typ 35. Damit ist das Baby II groß genug, dass die meisten erwachsenen Enthusiasten jetzt am Spaß teilhaben können. Sogar der Autor hat es geschafft, seine gut 1,90 Meter ins co*ckpit zu verfrachten, wenn auch mit dem für den Ein- und Ausstieg entfernten Schnellspann-Lenkrad und dem verstellbaren Pedalkasten (dessen Pedale natürlich aus Aluminium gefräst sind).

Während die dem Baby II zugrundeliegende Technologie erwachsen geworden ist, wurden erhebliche technische Anstrengungen unternommen, um einen Teil der Ausstrahlung des Typ 35 beizubehalten. Um eine authentische Darstellung der Fahreigenschaften des Original-Rennwagens zu erhalten, hat Bugatti einen Original-GP-Wagen aus Lyon in 3D gescannt, um seine Aufhängungsgeometrie nachzubilden.

Der Einbau von verstellbaren Dämpfern, der laut Bugatti das einzige Zugeständnis an die Modernität des Aufhängungssystems darstellt, bietet eine Abstimmbarkeit, von der Ettore 1924 nur träumen konnte.

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Das co*ckpit des Baby II folgt dem Gesamtthema, Vintage-Ästhetik mit einer Dosis zeitgenössischer Technik zu verbinden. Das bereits erwähnte abnehmbare Lenkrad folgt dem Vierspeichen-Design des Typ 35, ebenso wie das Armaturenbrett aus gedrehtem Aluminium. Aber eine Batterieanzeige befindet sich jetzt an der Stelle, an der beim Typ 35 die Anzeige für den Benzindruck sein würde.

In einer Hommage an den Veyron ersetzt ein Kraftmesser den Ölanzeiger. In einer ähnlichen Strategie reproduzierte Bugatti für den Baby II akribisch den Benzinpumpenhebel des Typ 35 - hier dient er als Vorwärts-, Neutral- und Rückwärts-Wahlschalter.

Der in drei verschiedenen Ausstattungen - Base, Vitesse und Pur Sang - erhältliche Wagen hat ein Sperrdifferential, hydraulische Bremsen und wählbare Fahrmodi. Das Base-Modell (rund 30.000 Euro) ist ausschließlich in "French Racing Blue" mit schwarzer Lederausstattung erhältlich.

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Es ist mit einer Kompositkarosserie und einem 1,4-kWh-Batteriepack ausgestattet, mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 30 mph (48 km/h) im Expert-Modus (der Novice-Modus ist für die Youngster gedacht und begrenzt die Geschwindigkeit auf knapp 20 km/h) und einer Reichweite von etwa 24 Kilometer.

Der Autor verbrachte seine Zeit in einem Vitesse (rund 44.000 Euro), der mit einer leichteren Kohlefaser-Karosserie, einer Reihe von Farboptionen und einem 2,8-kWh-Batteriepack, das die Reichweite des Baby II verdoppelt und gleichzeitig eine Leistung über den Expert-Modus des Basisfahrzeugs hinaus ermöglicht, punkten konnte.

Wie die modernen Hypercars von Bugatti verfügen auch die Modelle Vitesse und Pur Sang des Baby II über einen zweiten "Geschwindigkeitsschlüssel", der das volle 10-kW-Potenzial des Systems freischaltet und die maximale Geschwindigkeit auf etwa 42 mph (rund 68 km/h) erhöht.

Der Baby II Pur Sang, der sich an Sammler wendet, ist mit fast 60.000 Euro das Spitzenmodell der Baureihe. Während er seinen mechanischen Aufbau mit dem Vitesse teilt, ersetzt Bugatti hier die moderne Kohlefaser zugunsten einer handgefertigten Aluminiumkarosserie. Für eine solche Karosserie sind laut Bugatti mehr als 200 Arbeitsstunden notwendig.

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Hinter dem Lenkrad

Nach einem Rundgang durch das Auto richten wir uns am Steuer ein. Es ist eng, aber überschaubar. Eine neigbare Lenksäule würde hier Wunder wirken, aber sie würde nicht zum Charakter des Baby II passen. Von der sachlichen Einfachheit des co*ckpits bis hin zum auffallend positiven Radsturz der Vorderräder in Ruhestellung ist klar, dass es hier in erster Linie darum geht, Enthusiasten die Chance zu geben, besser zu verstehen, wie das Leben für die Rennfahrer war, die vor fast einem Jahrhundert den Typ 35 pilotierten.

Wir starteten im Expert-Modus zu einer Sichtungsrunde, um uns wieder mit "Streets of Willow" zu akklimatisieren. Es ist ein enger, technischer Straßenkurs, der flinkes Handling den Pferdestärken vorzieht - ein Favorit für Fans von Autos wie dem Mazda MX-5 und Subaru BRZ. (Spötter könnten einwerfen, ein MX-5 sei auch kaum geräumiger als der Winz-Bugatti.)

Bei diesem Tempo haben wir reichlich Zeit, unsere Linienführung zu überdenken, aber der Baby II ist so klein, dass wir ihn in den Kurven 5 und 6 sowie 11 und 12 mehr oder weniger genau in der Mitte platzieren können.

Es erinnert uns auch an die Tugenden von Autos mit offenen Rädern - man kann einfach nach unten schauen und genau sehen, in welche Richtung die Reifen zeigen und was die Aufhängung tut, wobei das Auto jedes Mal nur wenige Zentimeter von seinem beabsichtigten Ziel entfernt ist.

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Das gab meiner Wenigkeit auch die Möglichkeit, einige Vögel anzuschreien, die sich keine Sorgen über den Boliden zu machen schienen, der da auf sie zuraste, als ich mich Kurve 1 näherte. So etwas kann man tun, wenn sich der Großteil des Körpers außerhalb des Autos befindet.

Bei knapp 50 km/h kann man sicherlich Spaß haben, aber wir wünschten uns schnell mehr, also kamen wir zurück an die Box und baten freundlich um den zweiten Schlüssel. "Sagen Sie mir Bescheid, wenn Ihnen die Veränderung auffällt", sagte die Repräsentantin, als sie den Limiter deaktivierte.

Eine Erhöhung um 12 Stundenkilometer klang für mich nicht nach viel, also dämpfte ich meine Erwartungen, bevor ich aufs Fahrpedal trat und prompt wieder auf den Sitz zurückgeworfen wurde. Vertrauen Sie mir, es macht einen Unterschied.

Das Baby II verfügt über eine regenerative Bremse, die im Expertenmodus das Auto so weit abbremsen kann, dass es mit einem Pedal über die gesamte Strecke gefahren werden kann. Mit dem deaktivierten Begrenzer ist es aber definitiv nicht genug, und das allein macht es schon zu einer weitaus anspruchsvolleren Erfahrung.

Bei diesem Tempo müssen Sie den bescheidenen Grip, den die Reifen bieten, aktiv managen und auf die Gewichtsverteilung achten, wenn Sie in eine Kurve eintauchen - werden Sie ein wenig übereifrig, dann sehen Sie auf der Jagd nach einem Scheitelpunkt unter den Rädern nahe des Kurveninneren vielleicht schon Tageslicht. Hatte ich erwähnt, dass es keine Sicherheitsgurte gibt?

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Das Auto hat uns noch etwa ein halbes Dutzend heiße Runden gegönnt, bevor ich merkte, dass die Leistung nachließ und in die Box fuhr. Die Besitzer können den Lithium-Ionen-Akku des Baby II in wenigen Sekunden austauschen, damit die Party weitergehen kann, aber das setzt voraus, dass Sie einen zweiten Akku haben, der aufgeladen und einsatzbereit ist.

Wir wollten unbedingt noch mehr Runden drehen, aber die Betreuer des Autos erinnerten uns sanft daran, dass auch andere Personen das Baby II fahren möchten. Plötzlich bin ich ein wenig verärgert, dass ich teilen muss. Das Kind in mir schmollt. Der Erwachsene drumherum hatte das Fahrerlebnis des Jahres.

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